Mouvement
"Europe & Laïcité"



  

Vorschläge für eine europäische weltliche Charta


Die europäische Union braucht demokratische Institutionen. Diese müssen in Bezug auf ihre Prinzipien und deren Anwendungen auf einer zivilen und sozialen Ethik beruhen, die die Harmonie zwischen den vielfältigen menschlichen Gruppen, aus denen Europa seine Reichhaltigkeit und seine Vitalität schöpft, garantieren kann.
  

Diese Werte und grundlegenden Prinzipien sollen die europäischen Völker vor Auseinandersetzungen zwischen Volksgruppen, religiösen Rivalitäten, beschränkenden Integrismen und verfremdenden Klerikalismen schützen.

Die hier geäußerten Vorschläge sind dazu bestimmt, eine Charta auszuarbeiten, die darauf hinzielt, die Reichweite und den Rahmen der grundlegenden Werte festzulegen, auf denen die Institutionen der europäischen Union beruhen sollen, damit diese dem Fortschritt nützlich sind.

Artikel 1: Keine Legalisierung der dogmatischen Verbote

Das staatsbürgerliche, politische, kulturelle und soziale Leben muß sich im Rahmen der europäischen Union unter Wahrung aller mit den Interessen der Allgemeinheit und dem Gemeinwohl verbunden individuellen und kollektiven Freiheiten organisieren.

Die Gesetze der europäischen Union müssen des weiteren die erforderlichen Gleichstellungen im Hinblick auf die in manchen europäischen Staaten noch bestehenden Einschränkungen der Bürgerrechte fördern.

Die absolute Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst werden in allen Mitgliedsstaaten der Union garantiert, ohne daß jedwede Interessengruppe, sei sie konfessioneller oder kultureller Art, eine Einschränkung unter Berufung auf nur ihre eigenen Mitglieder betreffende Verbote erlangen kann.

Die praktische Umsetzung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung erfolgt in vollkommener individueller und kollektiver Freiheit und ausschließlich im Rahmen der bürgerlichen Gesetze, die von den gewählten und rechlich verantwortlichen Instanzen verabschiedet worden sind. Religiös motivierte Verbote dürfen im Rahmen der europäischen Gesetzgebung keine Rolle spielen.

Artikel 2: Rechte der Frauen und Kinder

Der Status der Frau und ihr anerkanntes Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen und sozialen Leben werden eindeutig festgelegt: keinerlei konfessionell, ethnisch oder kulturell bedingte Einschränkungen werden in der europäischen Gesetzgebung berücksichtigt.

Die die Kinder betreffenden gesetzlichen Bestimmungen tragen deren künftiger Stellung als freie und verantwortliche Bürgerinnen und Bürger Rechnung und haben sie weitestgehend vor jeglicher einschränkender Doktrin oder Dogmatik zu bewahren, die durch das private, soziale oder gemeinschaftliche Umfeld auf sie ausgeübt werden könnten. Dies bezieht sich auch auf unter religiösen oder kulturellen Vorwänden verübte Verstümmelungen der Geschlechtsorgane von Minderjährigen.

Artikel 3: Gegenseitige Toleranz und Gleichheit der Rechte und Pflichten

Die Institutionen der europäischen Union müssen im Rahmen der vollkommenen Übereinstimmung der Rechte und Pflichten aller Bürgerinnen und Bürger der Union gegenseitige Toleranz und Achtung der ethnisch-kulturellen Unterschiede erlauben und fördern; sie müssen jegliche Nachsicht gegenüber rassistischen Kräften ausschließen, sowohl auf politischer Ebene wie auch im Rahmen des sozialen Zusammenlebens. Sie müssen das Grundprinzip respektieren, wonach das legitime Recht auf Unterschied nicht in einen unannehmbaren Unterschied der Rechte münden darf.

Artikel 4: Unabhängigkeit von Kirchen und Religionen

Die Institutionen der europäischen Union stellen die absolute Unabhängigkeit der offiziellen Organisationen, der öffentlichen Dienste und der europäischen Gesetzgebung von den Kirchen, dem Klerus und dem Einfluß der Konfessionen sicher.

Die aus der Politik der Union hervorgehenden Verpflichtungen staatsbürgerlicher, sozialer, kultureller und erzieherischer Art werden von den öffentlichen Diensten der Union wahrgenommen und nicht an private Organisationen übertragen.

Auf dem Gebiet der Religion wird die Ausübung der legitimen (individuellen und kollektiven) Rechte im Rahmen der Privatsphäre, aus der diese Rechte hervorgehen, durch die Gesetze der Union gewahrt, ohne daß eine Einwirkung auf den öffentlichen oder politischen Bereich gestattet würde.

Artikel 5: Vorrang der Interessen der Allgemeinheit

Die Institutionen der Union räumen den Interessen der Allgemeinheit und dem Gemeinwohl absolut Priorität ein, ohne die Einführung besonderer individueller oder kollektiver Vorrechte zu legalisieren oder zu gestatten. Sie werden auch nicht den Forderungen von Interessengruppen nachgeben, die unberechtigte, den Interessen der Allgemeinheit und der sozialen Gerechtigkeit entgegenstehende Vorteile erlangen wollen.

Dieser Gedanke muß sich bei den diversen Wirtschafts- und Sozialsystemen, die innerhalb einer zwangsläufig vielfältigen Union nebeneinander bestehen können, durchsetzen.

Artikel 6: Solidarität zwischen den Völkern

Die Institutionen und Organisationen der Union werden die Nationalregierungen sowie die öffentlichen und privaten Organisationen zu solidarischem Verhalten zwischen Völkern, Staaten und sozialen Gruppierungen anhalten, so verschieden wie diese Staaten im Hinblick auf ihr wirtschaftliches, soziales sowie kulturelles Niveau und System auch sein mögen.

Diese Solidarität zielt auf Lösungen für soziale Gerechtigkeit, die in einem sehr weiten Rahmen angelegt sind und außerhalb derer keine wirtschaftliche Expansion möglich ist.

Artikel 7: Befreiung der Bürgerinnen und Bürger von den Gemeinschaftszwängen

Im Rahmen ihrer Zuständigkeitsbereiche achten die gewählten Führungen der Institutionen der Union darauf, ihre Handlungen und ihre Politik nicht auf Vorstellungen zu gründen, deren Anwendung eine Verletzung oder Einschränkung der grundlegenden Werte des weltlichen Humanismus und der Modalitäten seiner Umsetzung darstellen würde.

Sie werden insbesondere darauf achten, keine ethnische, konfessionelle oder kulturelle Gemeinschaft zu bevorzugen, da dies Rivalitäten und Konfrontationen verursachen würde, sondern in jedem Fall den Menschen, die Bürgerinnen und Bürger als Grundelemente des staatsbürgerlichen Lebens in Europa zu betrachten.

Artikel 8: Freie Verbreitung der weltlichen Werte

Diejenigen Mitgliedsstaaten, deren nationale Verfassung und Rechtssystem nicht von ausschließlich weltlichen Prinzipien geprägt sind, werden angehalten, die freie Verbreitung der weltlichen Ideale in ihren internen politischen Angelegenheiten nicht zu verhindern, ebensowenig wie die Verbreitung anderer ethischer Ideale und Ideologien.

Die Regierungen der Mitgliedsstaaten in der Union verpflichten sich, die gemeinsamen Entscheidungen zu respektieren, die von weltlichen Werten erfüllt sind oder sich ausdrücklich auf diese berufen.

Der weltliche Humanismus, der auf der Achtung aller Glaubensrichtungen und Meinungen, der Menschenrechte und Grundfreiheiten beruht, wird von den Behörden und Institutionen der Union, die seine Förderung und Verbreitung erleichtern werden, im Interesse der Allgemeinheit und des sozialen Zusammenhaltes strikt respektiert.

Artikel 9: Die Weltlichkeit, Europas Pfand für inneren Frieden und Harmonie

Die philosophischen, ethischen, moralischen und staatsbürgerlichen Werte, auf denen der weltliche Humanismus basiert, machen ihn allen freiheitsliebenden, toleranten und gerechten Menschen annehmbar: er hat somit eine universelle Berufung aufgrund der positiven und zweckmäßigen Lösungen, die er für zahlreiche Probleme sozialer oder zivilrechtlicher Art anbietet, wie sie sich in den meisten Staaten Europas -- oder anderswo -- stellen.

Es ist also unerläßlich und im allgemeinen Interesse der Einzelpersonen, der Bevölkerungsgruppen und der nationalen Gemeinschaften, daß der weltliche Humanismus auf europäischer Ebene und außerhalb der Union geachtet und gefördert wird und daß er als Grundlage für die Herausbildung einer notwendigen europäischen Staatsangehörigkeit dient.

Diese Vorschläge wurden von dem "Mouvement Europe & Laïcité" ausgearbeitet. Sie können diese Charta auch auf Englisch lesen. Ihre Anmerkungen und Kommentare (in Französisch oder Englisch; entschuldingen Sie bitte für nicht deutsch spechen) richten Sie bitte an den Präsidenten des "Mouvement Europe & Laïcité", oder an den Webmaster dieser Seiten,
Vielen Dank an Renate Klempien-Hinrichs für ihre Hilfe bei der Übersetzung.

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Ces propositions ont été élaborées par le Mouvement "Europe et Laïcité". Pour une version anglaise. Vous pouvez faire parvenir vos commentaires (en Français ou en Anglais) à son président, :
11 rue des Huguenots - 94420 Le Plessis Trévise, France
Tél: 01 45 76 42 63 - fax: 01 45 76 75 91 (depuis l'étranger, faire 33 pour la France et supprimer le 0 initial)

Mise à jour: 14 juin 1997.